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 Bis man die hohe Kunst des Radballs beherrscht, bedarf es langer Jahre der Übung.
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 944 Einwohner hat der Ort (Stand 31.12.2016),
es gibt als Sehenswürdigkeiten ein Heimatmuseum sowie die katholische Pfarrkirche St. Blasius, von
den neun Gemeinderatsmitgliedern sind neun Mitglie- der der CDU, es gibt einen Feuerwehrverein und den Sportverein Rot-Weiß (Fußball, Tischtennis, Volleyball, Wandern, Gymnastik) – Obernfeld wäre ein muster- gültiges, durchschnittliches Eichsfeld-Dorf. Doch es gibt ja auch noch den Radfahrer Verein Stahlross e.V., dank seiner beherbergt das Dorf richtige Deutsche Meister.
   Keine Frage: Radball und Radpolo sind Randsportarten. Nichts für großes Geld und große Schlagzeilen. Und offensichtlich primär etwas für die Provinz. Der RV Stahlross ist dafür nur ein Beispiel. Nicht weit weg, in Bilshausen, findet sich eine weitere Rad- sporthochburg: Der RV Möve hat es immerhin schon in die Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga gebracht. Eine Klasse höher reüssiert Stahlross, die schärfsten Kon- kurrenten sind Vereine wie der RMC Stein, der RV Gär- tringen oder der RKB Wetzlar. Stahlross-Trainer Josef Kopp hat sich über diesen Aspekt noch keine Gedanken gemacht. Auch große Städte hätten immer mal Spitzen- vereine im Radball und -polo hervorgebracht. Dafür, dass ausgerechnet Obernfeld es in die nationale und mittlerweile auch internationale Spitze gebracht hat, gibt es einfache Gründe. Natürlich ist das Sportangebot in Dörfern nicht so groß wie in Städten, seine Qualität hängt vom Engagement Einzelner ab. In Obernfeld waren es vor allem zwei Familien Kopp, die sich dem Radsport verschrieben und die Basis für die Erfolge schufen. Von Generation zu Generation setzte sich die Passion fort. Doch auch in der scheinbar so konstanten Dorfwelt bleibt nicht alles so, wie es war. Auch in Obern- feld verbringt der Nachwuchs, so beklagt es der Trainer, immer mehr Zeit mit Computer und Smartphone, immer weniger Zeit und Neigung bleiben, um sich im Vereins- leben zu engagieren, aktiv Sport zu treiben, vor allem so einen wie im RV Stahlross.
Denn sowohl Radball als auch -polo sind ungemein anspruchsvolle Sportarten. Das wird dem Beobachter unmittelbar klar, wenn er die Radballer André und Raphael Kopp sowie die Radpolospielerinnen Luisa Alt- mann und Sandra Rakebrand beim Training beobachtet. Die Herausforderungen fangen schon mit dem Sport- gerät an, dem rund 1.500 Euro teuren Spezialfahrrad, dessen markante Merkmale der hornartig nach oben gebogene Lenker, die starre Nabe und der auf einer lan- gen, waagerechten Stütze angebrachte Sattel sind. Es dauert schon eine Zeit, bis man die Grundvoraussetzung
gelernt hat und auf
bzw. mit dem Rad
überhaupt stehen
kann. Bis man die
hohe Kunst des
Radballs beherrscht,
bedarf es langer
Jahre der Übung.
Beim Radball spie-
len Zweierteams
gegeneinander. Man
dribbelt sich mit
dem Rad virtuos
über das Feld, stoppt abrupt, fährt so plötzlich rück- wärts wie in alle anderen Richtungen – und hat, als wäre das nicht genug, auch noch mit dem ca. 500 Gramm schweren, harten, mit Elch- oder Rosshaar gefüllten und mit Stoff bezogenen Ball zu tun (beim Polo auch noch mit der Handhabung des Schlägers) und schließ- lich mit zwei Gegnern, die einem auf unangenehme und mitunter schmerzhafte Weise in die Quere kommen. »Radball ist ein Kampfsport«, zitiert Trainer Kopp den RV-Ehrenvorsitzenden Alois Ehbrecht. Mit ehrfurcht- gebietender Wucht katapultieren die Spieler den Ball platziert aufs Tor, doch Kraft ist laut Kopp beim Radball nicht das Entscheidende, vielmehr gehe es um Geschicklichkeit, Taktik, Erfahrung, weshalb man auch in nicht mehr ganz so jungem Alter noch auf hohem Niveau aktiv sein kann. Mit Ende 20 hat man das leis- tungsstärkste Alter erreicht, beginnen sollte man idealerweise mit 5 bis 8 Jahren.
Wie es sich für Randsportarten gehört, werden Radball und Radpolo in der öffentlichen Wahrnehmung unter- schätzt. Das sportliche Niveau der Stahlross-Aktiven ist jedoch beeindruckend und lockt bei Heimspielen immer- hin rund 200 Zuschauer in die unscheinbare Sporthalle. Wie viel Engagement, Zeit und Herzblut nötig waren, um diese Könnerschaft zu erreichen, lässt sich nur erahnen. Trainer Kopp sieht allerdings auch das gelassen.
INFO
Radfahrer Verein
Stahlross Obernfeld e.V.
Dörgesring 19 37434 Obernfeld
Tel.: 05527/999767 info@stahlross-obernfeld.de www.stahlross-obernfeld.de
Weitere Radball- und Radpolo-Angebote in der Region:
RV Möwe 04 Göttingen www.rv-möwe-göttingen.de RV Möve Bilshausen e.V.
Tel. 05528/3283 (keine Website)
(Alle Angaben ohne Gewähr)
   



































































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