Page 23 - Freizeitarena Heft 42
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Es ist allerdings tatsächlich nicht einfach, zu beschreiben, wie Jumpstyle funktioniert: Gruppen, Duos oder Einzel- tänzer vollführen in aberwitzigem Tempo eine wild wir- kende, jedoch einstudierte, dennoch der Kreativität und
Improvisation Raum gebende Choreographie von Sprüngen und Bewegungen, Drehungen und Kicks in der Luft und auf dem Boden zu einer aus dem Techno stammenden Musik, deren Beats unweigerlich ins Blut und in die Beine gehen. Das Ganze erinnert ein wenig an Pogo, ein wenig an Stepp und tatsächlich an irische Tänze, ist aber viel schneller. 150 Beats pro Minute und zwei bis drei Sprünge pro Sekunde machen verständlich, warum der Tanz eines Einzeltänzers nur eine Minute dauert, der einer Gruppe drei. Denn der zweite Gedanke, der einem kommt, ist auch korrekt: Das Ganze muss irrsinnig anstrengend sein.
Dass man über ein gerüttelt Maß an Fitness verfügen muss, um Jumpstyle zu tanzen, leugnet auch Martin Davong nicht, der erzählt, dass er dreimal täglich die »Klamotten« wechseln muss und mittlerweile über eine »unglaubliche Wadenmusku- latur« verfügt. Kein Wunder. Denn der 21-Jährige ist sowohl professioneller Jumpstyle-Trainer als auch amtierender Deut- scher Meister. Wenn man behauptet, Jumpstyle sei sein Leben, klingt das auf eine Weise pathetisch, die dem jungen Göttinger vermutlich fern liegt, ganz falsch ist es aber dennoch nicht. Denn zumindest hat der Tanz seinem Leben eine entscheidende Wende gegeben, und zwar quasi von der Straße weg. Von dort kommt nämlich der Tanz, dessen Ursprung die Musik war, die junge Leute in Belgien und den Niederlanden inspirierte, dazu auf eine Weise herumzuspringen, die Mode machte. Schließlich auch in Niedersachsen: Hannover ist noch heute ein Zentrum des Tanzes, aber auch in Göttingen gab es eine kleine Szene, die vor allem auf dem Bahnhofsvorplatz tanzte – ganz legal und nicht sehr subkulturell, nämlich mit Genehmigung der Stadt. Zu dieser Szene gehörte auch Davong, seinerzeit Schüler am MPG. Ein Tanzlehrer entdeckte sein Jumpstyle-Talent und lud ihn ein, an einem Workshop teilzunehmen.
Die Folge war eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Jump- style, schließlich als Trainer in der Tanzschule Krebs, die Davong wiederum seit 2008 vom klassischen Tanzkurs kannte, wie man ihn zu Schulzeiten zu absolvieren pflegt(e). Für Davong aber wurde Tanzen mehr als eine obligatorische Pflichtübung, und auch etwas anderes als für die Kids auf der Straße. Als sich mit dem Abi die Frage stellte: »Was tun?«, war für ihn die Ant- wort schnell gefunden: Tanzen. Seither, seit eineinhalb Jahren, absolviert der in Hofgeismar geborene, aber schon zweijährig nach Göttingen gezogene Davong eine Ausbildung zum Tanzleh- rer. Und hat nebenher auch als Aktiver Erfolge eingefahren: 2012 wurde er Deutscher Meister im Duo, im vergangenen Jahr mit seiner Gruppe »HartJUMP«.
Auf diese Erfolge ist Davong durchaus stolz, doch im Vorder- grund steht für ihn eindeutig der Spaß, vor allem nach wie vor der an der Musik. Jumpstyle ist pure Leidenschaft und eine
Freude, Lebendigkeit, Power: Jumpstyle
Möglichkeit, Emotionen und Gefühle auszudrücken, aber auch Aggressionen abzubauen, Trauer oder Angst. Es ist eben Ener- gie, Freude, Lebendigkeit, Power. Daran hat sich auch nichts geändert, seitdem Jumpstyle bald von einem Szenetanz zu einer offiziösen Angelegenheit geworden ist, welcher der nationale Dachverband ADTV, wie es sich gehört, eine Wettbewerbsinfra- struktur verpasste, Strukturen und Regeln, die Grundschritte und feste Elemente definieren. Das gilt bei echten Straßentän- zern, die mit Alternativen und Varianten auf den nunmehr offi- ziellen Style reagieren, natürlich als verpönt. Martin Davong kann damit leben, dass er von der Szene nicht mehr als einer der ihren betrachtet wird. Seine Interessen gehen auch über Jumpstyle hinaus und umfassen sowohl klassische Standard- tänze als auch Shuffle und HipHop. So bunt wie dieses Tanzport- folio ist auch der Kreis jener derzeit rund 30 Leute, die in der Tanzschulet Jumpstyle praktizieren – und im Übrigen jederzeit gerne neue Interessierte aufnehmen. Angefangen von 6-jähri- gen Kindern, deren Ausbildung Davong besonders viel Freude macht, weil es ihn immer wieder fasziniert, wie sie an den neu- en Tanz, der eigentlich eher ein Sport ist, herangehen: so wie jenes Mädchen, das auf eine eigene, ernsthafte Weise herum- hüpfte, offensichtlich ohne verstanden zu haben, was die Cho- reographie will und all dieser Regelkram. Nur um eines Tages eine fast schon perfekte Jumpsytle-Tänzerin abzugeben. Lear- ning by doing, und aus schierer Freude, an einem Ort, den Davong als »offene Tanzschule« anpreist.
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Mitglieder, mehrheitlich Studenten, sich in alle Windesrichtun- gen verstreut haben. Martin Davong wird erst einmal bleiben und seine Ausbildung abschließen. Was danach kommt, steht noch in den Sternen. Vielleicht ein Studium und ein anschließen- der Beruf, in dem er das Gelernte kombinieren kann – etwa als Eventmanager. Auch wenn Davong um die Belastungen weiß und dass er nicht ewig wird tanzen können, dürfte eines sicher sein: He will dance ... Solange es geht. (ts)
kontakt
Tanzschule Krebs
Leibnizstraße 1a Tel. 0551 74614 info@ts-krebs.de
www.ts-krebs.de
Anschauen kann man sich Jump- style auf zahllosen YouTube-Fil- men. Für den Einstieg interessant ist die Website www.jumpstyle-lernen.de.
b sich aus diesem Engagement irgendwann wieder eine meisterschaftsreife Gruppe ergibt, steht für Martin Davong nicht im Vordergrund, nachdem die alte, wie es
in Göttingen so üblich ist, sich aufgelöst hat, weil ihre
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(Alle Angaben ohne Gewähr)