Page 23 - Freizeitarena Heft 41
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Dass das Gespräch in der Cafeteria der Unibiblio- thek ausgerechnet während der partiellen Sonnen- finsternis stattfindet, sollte nicht mit zu viel Be- deutung überfrachtet werden, taugt aber dennoch zu einem gewissen Symbolgehalt. Denn der sonni- ge Glanz, der das Sportjahr 2014 für Neele Eck- hardt beschienen hat, ist zur Zeit ein bisschen ver- schattet: Seit einigen Wochen laboriert die Drei- springerin der LGG an Sehnenbeschwerden im Knie, kann deshalb nur sehr eingeschränkt trainie- ren (Laufeinheiten, keine Sprünge ...) und die Sai- sonplanung ist dementsprechend unsicher.
Und das, wo doch 2014 eine Zäsur war, ein Durchbruch: Seit die 22-Jährige bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm die Bronzemedaille geholt und mit 13,98 Metern eine auch international beachtliche Weite gesprungen ist, hat sie sich
nachhaltig für eine Olympiateilnahme 2016 in Stellung gebracht. Die erforderliche Qualifikationsweite von 14,30 Metern war für 2015 zum Greifen nah, zum Beispiel bei der DM im Juli in Nürnberg, wenn nicht gar bei der WM, die im August in Peking stattfindet.
Vor allem war um die Jahreswende eine Entscheidung gefallen, die man in Göttingen als Win-win-Situation bezeichnen kann: Eck- hardt, die seit dem Deutschen Zehnkampfmeister Jacob Minah als größtes Talent der hiesigen Leichtathletik gelten muss, wurde von der Sparkasse Göttingen eine monatliche Unterstützung zuge- sprochen, zunächst für 2015. Damit bleibt Eckhardt der Stadt erhalten – und umgekehrt; denn nur ungern hätte sie der Stadt den Rücken gekehrt, in der sie seit 2013 lebt und mittlerweile im 6. Semester Jura studiert. Auf dem für eine Karriere als Leistungs- sportlerin notwendigen Niveau hätte sie ohne dieses Sponsoring nicht mehr in Göttingen trainieren können und wäre gewechselt, vermutlich nach Hannover, wo die finanziellen Bedingungen bes- ser wären. Nun kann sie in Göttingen den Aufwand für das Studi- um etwas zurückfahren und intensiver trainieren. Könnte, wenn da nicht die Verletzung wäre, die Eckhardt auf Verschleiß zurückführt. Verschleiß mit 22? Seit sie zehn ist, betreibt die in der Nähe von Osnabrück geborene Eckhardt Leichtathletik, schon früh kristal- lisierte sich dabei das Springen als ihre Leidenschaft und Stärke heraus. Als sie 16-jährig im Sportinternat Hannover unter die Fit- tiche ihres Trainers Frank Reinhardt kam, der auch am Stützpunkt der LGG trainiert, animierte der sie dazu, es mit dem Dreisprung zu probieren, und Eckhardt hatte ihre Paradedisziplin entdeckt. Und der Trainer ihr Potenzial. Denn während sie quasi ergebnisof- fen in der Göttinger Springergruppe um Lisanne Rieker und Anna- Marleen Wolf trainierte, sei Reinhardt, so erzählt Eckhardt lachend, schon früh von ihren Möglichkeiten überzeugt gewesen. Und hat Recht gehabt.
Neele Eckhardt ist vielleicht ein Musterbeispiel für die problema- tische Situation einer Leistungssportlerin, speziell einer interna- tional wettbewerbsfähigen Leichtathletin: Sie betreibt einen Sport, mit dem nicht viel Geld zu verdienen ist, den man sogar als Orchi- deensportart bezeichnen kann. So jemand muss das Glück haben,
engagierte Mentoren zu finden – und eben auch eine finanzielle Förderung, die eine perspektivreiche Verbindung aus Karriere und Ausbildung ermöglicht, eine Kombination, die oft nicht an jedem Ort und nur mit Unterstützung engagierter Personen oder Einrich- tungen möglich ist. Und selbst wenn man es schafft, sich auf nati- onaler Ebene durchzusetzen, sind die internationalen Hürden oft kaum zu überwinden. Zumindest deutet Eckhardt an, dass Weiten, die für Medaillen bei Olympia oder WM nötig sind, nicht unbedingt mit rechten Dingen zugehen müssen ... Dennoch wirkt die Drei- springerin auf erstaunliche Weise gelassen. Man kann davon aus- gehen, dass sie sich wegen der Gesundheitsprobleme Sorgen macht, was sie aber nicht zeigt. Auch verspüre sie keinerlei Druck, weder wegen der seit letztem Jahr öffentlich debattierten Olym- piaperspektive, noch wegen der finanziellen Unterstützung der Sparkasse, noch in der LGG, in der sie in einem starken Team inzwischen ziemlich exponiert ist.
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immer noch Spaß, und das heißt: auch und sogar das Trai-
um einen sei das Studium ein wohltuender Ausgleich zum Sport, eine ganz andere Art zu arbeiten, die erdet und ver- mutlich auch ablenkt. Vor allem aber mache der Sport
ning, immerhin an durchschnittlich 5 bis 6 Tagen in der Woche jeweils 2 bis 3 Stunden. Dabei besteht das Training aus Schwer- punkten, die man als Außenstehender gerade als monoton emp- finden würde. Denn wer denkt, Technik und Sprünge würden im Mittelpunkt stehen, liegt falsch. Vielmehr sind Tempo und Kraft die Dinge, die am häufigsten getrimmt werden, und die Springer sind häufiger im Kraftraum als im Stadion anzutreffen. Es ist nicht zuletzt der Zusammenhalt und Spaß in dieser Gruppe, welcher der Monotonie entgegenwirkt und immer wieder dazu motiviert, sich zu quälen. Doch auch diesen Aufwand und vor allem den Umstand, dass sie viel Zeit in den Sport investiert und wenig Freizeit hat, sieht Neele Eckhardt sehr gelassen. Die Frage, ob sie vielleicht doch irgendetwas bereue, habe ihr jedenfalls noch nie jemand gestellt. Ihre Antwort auf eben diese Frage kommt zumindest umgehend und klar: Man bekomme für den Aufwand, den man betreibt, ja schließlich ungemein viel zurück. Sie habe schon so viele Länder gesehen, die sie ohne den Sport noch nicht hätte bereisen können, und man lerne so viele nette und interessante Leute kennen. Und schließlich gehe es darum – das entscheiden- de Argument aller Sportler –, die eigenen Grenzen auszuloten und zu erweitern. Es ist Neele Eckhardt zu wünschen, dass sie das noch eine Weile tun kann, warum nicht bei den Olympischen Spie- len in Rio, und dass diese Grenzen noch sehr weit gesteckt sind.
Man sollte es nicht mit zu viel Bedeutung überfrachten, aber viel- leicht taugt es doch zu einem gewissen Symbolgehalt: Als wir wie- der auf den Campus treten und Neele Eckhardt sich Richtung Juri- dicum verabschiedet, scheint eindeutig die Sonne. (ts)
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