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Leibesübungen im digitalen Zeitalter
Sport für
Selbstläufer
Autonome Autos werden schon bald über Deutschlands Straßen brausen, matrosenlose Schiffe in menschenleeren Häfen anlegen, wo die Waren vollautomatisch auf Lkws umgeladen werden, die dann fahrerlos über Deutschlands Straßen brausen – die Digitalisierung ist nicht aufzuhalten. Müssen wir uns am Ende darauf einstellen, dass diese Entwicklung auch vor dem Sport nicht Halt macht? Wir fragten einen zuständigen Experten, Prof. Ballaballa vom Herrnhofer Institut für Digitale Verselbstständigung in Ballenhausen.
Herr Professor, autonome Autos werden schon bald über Deutschlands Straßen brausen, matrosenlose Schiffe in menschenleeren Häfen anlegen, wo die Waren voll- automatisch auf Lkws umgeladen werden, die dann
fahrerlos über Deutschlands Straßen brausen – die Digitalisie- rung ist nicht aufzuhalten. Müssen wir uns am Ende darauf ein- stellen, dass diese Entwicklung auch vor dem Sport nicht Halt macht?
Müssen wir.
Können Sie das ein wenig präzisieren?
Selbstverständlich. Sie haben ja bereits das bekanntes­ te Beispiel angeführt: autonome Pkws. Da ist es naheliegend, dieses Prinzip auf den Motorsport zu übertragen, also primär Formel­1­Rennen, bei denen der Bolide ohne Fahrer fährt. Die Vorteile: es gibt keine toten Rennfahrer mehr, die horrenden Fahrerhonorare fallen weg, wenn die Fahrer auch wegfallen. Die Autos werden digital von einer externen Station gesteuert, wie bei der guten alten Carrera­Bahn.
Automobilsport, na gut, das mag gehen. Haben Sie viel- leicht noch andere Beispiele?
Jede Menge. Nehmen wir mal den Pferdesport. Wenn wir keine Fahrer mehr für Rennwagen brauchen, brauchen wir auch keine Reiter für Rösser mehr ...
... aber Pferd und Auto – das ist ja wohl nicht dasselbe!
Sehr richtig. Aber wir implantieren den Pferden Chips, mit denen sie ferngesteuert werden, und schon ist der Jockey überflüssig. Gibt es ja im Prinzip auch alles schon, denken Sie an die englischen Hunderennen! Da werden die Hunde ja wohl auch nicht geritten, oder sehen Sie das etwa anders?
Hm, ich weiß nicht. Aber wie sieht es aus mit Mann- schaftssport, Ballsport – da wird doch wohl alles beim Alten bleiben ...
Alles beim Alten! Hinter welchem Mond leben Sie denn? Die Entwicklung liegt doch auf der Hand, bzw. am Fuß, wenn Sie sich den Fußball anschauen: verkabelte Schiedsrichter, Bälle mit Chips drin, die wissen, wann sie im Tor gelandet sind, also, die Bälle, nicht die Chips. Oder der Videobeweis! Ich verrate Ihnen jetzt mal was: Wir haben eine Vision: das Pilotprojekt »Autono­ mes Kicken« mit dem selbstspielenden Ball: Fußball ohne Fuß­ ballspieler. Irre, was?
Ja, irre. Und wie soll das gehen?
Schauen Sie sich doch mal ein herkömmliches Match an: wie viele Fehler! Wie oft geht der Ball ins Aus, wie oft am Tor vor­ bei, Stockfehler, Fehlpässe, das will doch keiner sehen, das ist doch überbezahlte Stümperei. Der Mensch kann es eben nicht. Wir programmieren den Ball so, dass er von alleine seinen Weg findet ins gegnerische Tor, der gerade Weg zum Erfolg, total feh­ lerfrei, absolute Perfektion.
Aber – also – das hat doch nichts mehr mit Sport zu tun. Ich meine, wo bleibt da die Spannung?
Ich merke, Sie gehen von einem ziemlich antiquierten Sportverständnis aus. Aber wir wissen, dass wir Menschen wie Sie abholen müssen, und arbeiten an Übergangslösungen. Dabei programmieren wir die Bälle mit Elementen konventioneller Spiele und simulieren die Anwesenheit humanoider Kicker. Der Ball dribbelt, spielt Doppelpass, flankt, spielt App, pardon: ab – alles wie in echt.
Aber die Fans? Die Stadien?
Stadien bauen wir um zu Shopping­Malls und VIP­Aps – also Apartments. Der Prozess läuft ja schon. Fans bedeuten Randale und für Polizeieinsätze verballerte Steuergelder. Das brauchen wir nicht mehr. Wir brauchen keine Fans mehr und kei­ ne Stadien und Fußballer und Fußbälle. Das wird alles abge­ schafft.
Das ist ja furchtbar. Abgeschafft?
Genau, abgeschafft, wir schaffen alles ab. Und schaffen Neues, neue Sportarten, Jogging für Selbstläufer, Algorhythmi­ sche Sportgymnastik, solche Sachen. Und die schaffen wir dann auch wieder ab. Kennen Sie noch Goethe? Faust? Mephisto? »Alles, was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht«. Schaffen wir auch ab. Goethe. Und Sie werden auch abgeschafft. Da sind wir schon ganz nah dran. Gucken Sie mal (wischt auf dem Smart­ phone rum). Gleich bin ich abgeschafft. (Plopp. Der Professor hat sich in Luft aufgelöst.)
Herr Professor, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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